Was mich fasziniert, sind Beziehungen. Besonders die, die vorbestimmt scheinen. So wie die Geschichte zwischen Malka und Roland.
Als ich Malka zum ersten Mal bewusst wahrnahm, wusste ich, dass sie etwas Besonderes ist. Damals war sie zehn Jahre alt, trug ein altmodisches gelbes Partykleidchen und ihre großen Schneidezähne passten so gar nicht zum zarten Gesichtchen. Doch da war was. Eine Präsenz, eine Selbstverständlichkeit des Daseins, wie sie vielleicht Kindern anti-kommunistischer Freiheitskämpfern eigen ist.
Roland war das Kind einer Familie, die schon im Westen wohnte, als der eiserne Vorhang seinem Namen noch alle Ehre machte. Wie, das wusste keiner so genau. Aber wir waren uns alle einig, dass es mit dem Einfallsreichtum, der Gewieftheit und dem Charme der Familie zu tun haben musste, die auch Roland auszeichneten. Roland ist ein Mann, in dessen Präsenz man sich Nägel lackieren kann und der einem morgens um fünf für den Weg vom Club zum Kebabstand sein Jackett ausleiht. Seine Launen und sein Humor sind legendär. Seine Stories auch. Die meisten davon übrigens frei erfunden. Doch niemand nimmt es ihm übel.

Als Malka 14 Jahre alt war, begann man zu erahnen, dass sie einmal von umwerfender Schönheit sein würde. Auf dem Schulhof stach sie auch dem vier Jahre älteren Roland ins Auge. Die beiden wurden ein Paar. Was mich erstaunte, ist, dass die Beziehung von Anfang an von einer Selbstverständlichkeit geprägt war. Vielleicht lag es am gemeinsamen kulturellen Hintergrund, vielleicht daran, dass es einfach so sein musste. Die Elternpaare befreundeten sich, Malka und Roland verbrachten gemeinsame Urlaube und er wartete beim Friseur, wenn sie sich die Haare machen ließ. Die beiden hatten eine Aura des Vorherbestimmten.
Obwohl die beiden jünger waren als ich, verliehen sie unserem Dasein einen Hauch von Glamour. Malka, mittlerweile groß, blond, stilsicher und blauäugig, war nun von einer Schönheit, die auf den Laufstegen von Paris Anklang gefunden hätte. Roland, etwas übergewichtig, bestach durch sein Auftreten als witziger, cleverer Lebemann, der durch nichts aus dem Konzept zu bringen war. Obwohl einzeln kapriziöse Charaktere, egozentrisch und etwas schwierig zu handhaben, verlieh jeweils der eine dem anderen eine gewisse Erdung. Sie wurden als Paar zu einem harmonischen Ganzen, das wir alle sehr gerne mochten. Die Frage, die wir uns stellten, war nicht, ob sie heiraten würden, sondern wann. Und was um Himmels willen wir anziehen würden.

Umso erstaunter war ich, als nach vier Jahren die Beziehung in die Brüche ging. Gut, okay, kleine Pause, sagte ich mir. Und richtete mich mit meiner provierbialen Chipstüte vor dem Fernseher des Lebens ein, dem Saisonfinale entgegenfiebernd. Doch die erwartete Versöhnung und anschließende Hochzeit kam nicht. Was kam, war Malka’s neuer Boyfriend. Ein schöner Börsenhändler und uninspirierender Antipat der ersten Liga, der Malka schlichtweg auf Händen trug. Kurz darauf verliebte sich Roland in ein hübsches, jedoch stilles Mädchen. Als ich die beiden zum letzten Mal sah, warf er ihr in einem Streit ein Brötchen an den Kopf, worauf sie loyal neben ihm sitzen blieb. Malka heiratete ihren neuen Freund. Roland heiratete seine Freundin. Die gemeinsame Zukunft der beiden, die uns allen selbstverständlich schien, gibt es nicht.
Ich frage mich, ob ich die Einzige bin, die sich wundert, ob das Schicksal hier eine falsche Wendung genommen hat?