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Freitag, 3. Juni 2011

Vielleicht war's doch nicht vorherbestimmt?

Was mich fasziniert, sind Beziehungen. Besonders die, die vorbestimmt scheinen. So wie die Geschichte zwischen Malka und Roland.


Als ich Malka zum ersten Mal bewusst wahrnahm, wusste ich, dass sie etwas Besonderes ist. Damals war sie zehn Jahre alt, trug ein altmodisches gelbes Partykleidchen und ihre großen Schneidezähne passten so gar nicht zum zarten Gesichtchen. Doch da war was. Eine Präsenz, eine Selbstverständlichkeit des Daseins, wie sie vielleicht Kindern anti-kommunistischer Freiheitskämpfern eigen ist.

Roland war das Kind einer Familie, die schon im Westen wohnte, als der eiserne Vorhang seinem Namen noch alle Ehre machte. Wie, das wusste keiner so genau. Aber wir waren uns alle einig, dass es mit dem Einfallsreichtum, der Gewieftheit und dem Charme der Familie zu tun haben musste, die auch Roland auszeichneten. Roland ist ein Mann, in dessen Präsenz man sich Nägel lackieren kann und der einem morgens um fünf für den Weg vom Club zum Kebabstand sein Jackett ausleiht. Seine Launen und sein Humor sind legendär. Seine Stories auch. Die meisten davon übrigens frei erfunden. Doch niemand nimmt es ihm übel.


Als Malka 14 Jahre alt war, begann man zu erahnen, dass sie einmal von umwerfender Schönheit sein würde. Auf dem Schulhof stach sie auch dem vier Jahre älteren Roland ins Auge. Die beiden wurden ein Paar. Was mich erstaunte, ist, dass die Beziehung von Anfang an von einer Selbstverständlichkeit geprägt war. Vielleicht lag es am gemeinsamen kulturellen Hintergrund, vielleicht daran, dass es einfach so sein musste. Die Elternpaare befreundeten sich, Malka und Roland verbrachten gemeinsame Urlaube und er wartete beim Friseur, wenn sie sich die Haare machen ließ. Die beiden hatten eine Aura des Vorherbestimmten.

Obwohl die beiden jünger waren als ich, verliehen sie unserem Dasein einen Hauch von Glamour. Malka, mittlerweile groß, blond, stilsicher und blauäugig, war nun von einer Schönheit, die auf den Laufstegen von Paris Anklang gefunden hätte. Roland, etwas übergewichtig, bestach durch sein Auftreten als witziger, cleverer Lebemann, der durch nichts aus dem Konzept zu bringen war. Obwohl einzeln kapriziöse Charaktere, egozentrisch und etwas schwierig zu handhaben, verlieh jeweils der eine dem anderen eine gewisse Erdung. Sie wurden als Paar zu einem harmonischen Ganzen, das wir alle sehr gerne mochten. Die Frage, die wir uns stellten, war nicht, ob sie heiraten würden, sondern wann. Und was um Himmels willen wir anziehen würden.


Umso erstaunter war ich, als nach vier Jahren die Beziehung in die Brüche ging. Gut, okay, kleine Pause, sagte ich mir. Und richtete mich mit meiner provierbialen Chipstüte vor dem Fernseher des Lebens ein, dem Saisonfinale entgegenfiebernd. Doch die erwartete Versöhnung und anschließende Hochzeit kam nicht. Was kam, war Malka’s neuer Boyfriend. Ein schöner Börsenhändler und uninspirierender Antipat der ersten Liga, der Malka schlichtweg auf Händen trug. Kurz darauf verliebte sich Roland in ein hübsches, jedoch stilles Mädchen. Als ich die beiden zum letzten Mal sah, warf er ihr in einem Streit ein Brötchen an den Kopf, worauf sie loyal neben ihm sitzen blieb. Malka heiratete ihren neuen Freund. Roland heiratete seine Freundin. Die gemeinsame Zukunft der beiden, die uns allen selbstverständlich schien, gibt es nicht.


Ich frage mich, ob ich die Einzige bin, die sich wundert, ob das Schicksal hier eine falsche Wendung genommen hat?


12 Kommentare:

  1. Ich hätte jetzt noch Stunden weiter lesen können! Hach, wie schön geschrieben.
    Das ist ne gute Frage. Vllt lernt der Lebemann mehr, wenn er seiner Neuen ein Brötchen gegen den Kopf wirft? Wer weiss? ;O)

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  2. Es ist ja noch nicht vorbei... vielleicht meint das Schicksal es gut mit den beiden und sie finden nochmal zueinander ... irgendwann - wenn die Zeit reif ist :)

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  3. Eine schöne Liebesgeschichte, wenn auch ohne happy end. Vielleicht waren sie einfach zu jung als sie zusammenkamen.
    LG Sabine

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  4. Ja... vielleicht waren sie einfach zu jung, damals... was habe ich das Lesen gerade genossen :) Toll!

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  5. Bei jeder Geschichte, die du hier erzählst, quält mich die Frage ob sie wahr ist, oder nicht.

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  6. @ T. - Es freut mich, dass Du Deine Gedanken aussprichst, denn nur so kann ich darauf eingehen.

    Es ist so, die Geschichten sind wahr. Viele, so zum Beispiel die obige oder die über Herr Winkelmann und mich, habe ich selber so erlebt. Andere, wie die über den zweiten Albert oder die Lifestory der Helene W. sind Begebenheiten, welche mir so, wie ich sie aufschrieb (d.h. als wahr) überliefert wurden.

    In meiner Erfahrung schreibt das Leben die besten, schönsten und oftmals komischsten Geschichten. Man muss nur beobachten, hinhören und sammeln.

    Aus Interesse - Was genau lässt Dich aufhorchen und am Wahrheitsgehalt der Geschichten zweifeln?

    Liebe Grüße

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  7. Weiß nicht, vielleicht ist es einfach dein toller, literarischer Schreibstil? Und bei solchen Geschichten, wie der über dich und Herrn Winkelmann denke ich eben leicht, dass sowas "im richtigen Leben" nicht vorkommt (ich bin nunmal misstrauisch). Aber jetzt wo du das geklärt hast, glaube ich dir natürlich, dass es stimmt.

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  8. Hast du wirklich super geschrieben...!!!!!
    Was kann man dazu sagen...?
    Kann schon mal passieren, dass da ein Fehler im System ist, wenn es tatsächlich so etwas wie Schicksal gibt.
    Und ich persönlich glaube im Moment extrem an Schicksal <3

    Zum Glück war es lieb zu dir :)

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  9. Wow - einfach nur wow.
    Deine Worte sind manchmal echt das Sahnehäufchen des Ganzen.

    Lieben Gruß :)

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  10. Es macht echt einen riesigen Spaß, deine Texte zu lesen!

    Hmm, ich frage mich, ob man Schicksal mit "richtig" und "falsch" messen kann. Was passiert, das passiert eben. Niemand weiß, was die Alternative gewesen wäre. Man kann ja nicht mal eben schnell ans Ende blättern wie bei diesen interaktiven Abenteuerbüchern, wo man immer einen Textabschnitt liest und sich dann entscheiden muss: Stehe ich auf und renne vor der Schlange davon? Oder bleibe ich liegen und warte, bis sie wegkriecht? Und dann wird man zu einer festgelgten Seitenzahl mit der logischen Fortsetzung weitergeschickt.

    Haha, jetzt habe ich glaub ich unverständliches Zeug geschrieben. Siehst du, du hast mich zum Philosophieren gebracht :)

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  11. Vielleicht führt sie das Schicksal nochmal zusammen, hoffentlich schon!

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  12. Stellen wir uns vor Malka und Roland hätten geheiratet und tolle Kinder bekommen. Doch bald darauf würden beide merken, dass etwas fehlt, sie einfach zusammen nicht mehr glücklich wären. Als dies mit der Scheidung dann offiziell wurde, waren sie FREI, doch... was ist zwischenzeitlich mit der schönen stillen und dem Börsenhai passiert? Sie trafen, verliebten sich und Heirateten im gleichen Monat wie Roland und Malka.

    Kein zurück. Sie mussten also geschieden mit Kinder auf die Liebesjagd gehen...

    Das ehemalige Traumpaar war wohl nicht für Ewigkeit bestimmt, wie schon so oft.

    p.s.: Einen sehr interessanten Blog hast du hier
    lg aus Siegen

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