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Dienstag, 10. September 2013

Mein Kanada, meine Heimat – Reise in eine längst vergessene Vergangenheit


Ich schaue auf den tiefblauen Meeresarm, die salzige Luft in der Nase. Ein Kloß formt sich im Hals. Längst vergessene Erinnerungen drängen sich auf. Wie eine Serie von alten Dias, die ich in einer verstaubten Schachtel im hintersten Winkel des Speichers wieder finde. "Kanada", steht da in vergilbter Schulmädchenschrift.

Kanada ist das Land der braungebrannten Schuljungen mit lachenden Gesichtern. Die auf einmal ganz schüchtern werden, wenn sie uns einen Zettel zuschieben, auf dem steht, "I fancy you".


Es ist das Land der Lachsbagels, der Blaubeeren, des perfekten Käsekuchens. Und des Hummers, der zu speziellen Anlässen - zuverlässig wie der Kuckuck aus der Schwarzwalduhr - auf der weiß gedeckten Tafel erscheint. Den wir nicht mehr essen wollen, also den Hummer, nicht den Kuckuck, seit wir an der Reling standen und ihn mit dem Kutter aus dem Meer haben zurückkommen sehen. Er tut uns leid, hat solch niedliche Knopfaugen, nun werden wir nur noch Gemüse essen.

Es ist das Land, in dem wir um 5 Uhr aufstehen, um mit den Freundinnen rudern zu gehen. In dem es Mädchen gibt, wie Leah. Die mit nackten Beinen das Boot in der eiskalten Strömung festhält, während wir vor den peitschenden Windböen das Weite suchen.

Das Land, in dem wir zu besonderen Anlässen der Englischen Queen ein langes Leben besingen, Hand auf dem Herzen. Leahs Mutti weigert sich, sie ist Republikanerin. Meine singt mit, was soll’s, sie hat eine hübsche Stimme.

Kanada ist das Land, in dem wir durch die lange Nacht mit dem Bus nach Montreal fahren. Unbequem, übernächtigt, unfassbar glücklich. Auf uns wartet die Welt, nicht nur die Tante, die das Gästebett frisch bezogen hat. 

Es ist das Land der kratzigen grünen Schuluniform. Der heimlich gekürzten Rocksäume, die uns jene Zettel der Sorte "I fancy you" einheimsen. Der hübschen, garantiert nicht in der Kleiderordnung vorgesehenen Mary Janes.

Kanada ist das Land, in dem wir mitten in der Nacht abhauen, um am Lagerfeuer den Schulabschluss zu feiern. In Wolldecken gehüllt und Tee trinkend, am Horizont das schale Licht der aufgehenden Sonne. Es ist die Freundschaft, die uns trunken macht.

Es ist das Land, das ich eigentlich nie mehr verlassen wollte.

8 Kommentare:

  1. so eine schöne liebeserklärung ;)

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  2. verstehe ich nur zu gut. mir hat es Kanada auch angetan. one day...

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  3. Ich hab mich auch unsterblich in Kanada verliebt... Und ich schmiede tatsächlich Pläne für die Zukunft, auf längere Zeit zurückzukehren.

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  4. Toll! Da will man SOFORT hin.

    LG

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  5. wunderschön *_*

    ich glaube ich habe jetzt noch ein neues Reiseziel :D

    und ja ich bin Anfang nächster Woche in Berlin und ja ich hätte total Lust auf einen gemeinsamen Kaffee :))

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